© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001–2021
Zeitung
Kam nicht leicht zu Entschlüssen: Kurt Gödel 1935
Ableitungen aus Maximen: Ein neuer Band der Edition seiner Notizbücher zeigt Kurt Gödel bei der alltäglichen Lebensbewältigung
Denn der Mann, der dies irgendwann zwischen März 1938 und Juli 1940 in ein Schreibheft notierte, war Kurt Gödel, der österreichische Logiker, der Anfang der 1930er Jahre mit seinen beiden Unvollständigkeitssätzen ebendiese Grundlagen der Mathematik gründlich erschütterte
Die Tiefe und theoretische Tragweite dieser Einsicht in Verbindung mit Gödels exzentrischer Persönlichkeit lassen ihn heute zuweilen als den prototypischen Nerd erscheinen
Das offenbarte zum Beispiel die Edition des ersten Bandes seiner philosophischen Notizbücher, welche die Konstanzer Philosophieprofessorin Eva-Maria Engelen 2019 im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichte
Nun hat Engelen einen zweiten Band vorgelegt
Wie der erste, der Aufzeichnungen zu Fragen der theoretischen Philosophie erschloss, wurden hier wieder Gödels zum großen Teil in der Gabelsberger-Kurzschrift abgefasste Notizen mit großer Sorgfalt transkribiert und kommentiert sowie eine Übersetzung ins Englische beigefügt
Anders als im ersten Band werden hier allerdings Gedanken öffentlich, die sicher nicht als mögliche Vorbereitung philosophischer Publikationen niedergeschrieben wurden
Vielmehr sind es sehr private, oft geradezu intime Bemerkungen, in denen Gödel seinen Alltag in den Blick nimmt
Engelen ordnet das Material der Individualethik zu, macht in ihrem einleitenden Essay aber deutlich, dass es Gödel hier um das eigene Leben und Handeln geht, um ein Bemühen zu „Selbstvervollkommnung,“ mit dem er in einer langen, aus der Antike stammenden Tradition steht
Ein Hauptmotiv bilden dabei die titelgebende Zeiteinteilung und die Maximen, also Richtlinien, die Gödel sich selbst vorgibt, gemischt mit Sätzen, denen die Wörter „Bemerkung“, „Frage“ und nicht zuletzt „Programm“ vorangestellt sind, wobei es sich im letzteren Fall oft um etwas handelt, was wir heute „To-do-Listen“ nennen würden
Darunter finden sich Grundsätze und Vorhaben jeglichen Ranges: vom tatsächlich Prinzipiellem („Nachdenken über: Was weiß ich, und was glaube ich?“) und Ambitioniertem („Sprachen lernen: Hebräisch, Chinesisch, Griechisch, Italienisch“) bis zum gänzlich Alltäglichen („Maxime: Am Schiff viel Tee mit Citrone trinken.“), und immer wieder ist der Logiker zu erkennen: „Vorteil einer Maxime besteht darin, dass dadurch eine Unzahl von einzelnen Entschlüssen überflüssig wird
Als Kurt Gödel die Grenzen des Berechenbaren entdeckte
Der Frankfurter Shahin Kuzera führt eine Art Doppelleben: Nachts pflegt er Alte, tagsüber singt er in Parks
Frankfurter Allgemeine Zeitung
© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001 - 2021
Mehr Logik: Kurt Gödels Notizen zur Lebensbewältigung
Kurt Gödels Notizbücher
Ableitungen aus Maximen: Ein neuer Band der Edition seiner Notizbücher zeigt Kurt Gödel bei der alltäglichen Lebensbewältigung